[...] 53 Beschwerdebefugnis/Legitimation Beschwerdebefugnis der (Einwohner-)Gemeinde in Bausachen
Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 17. August 2016 in Sachen A. AG, B. GmbH und C. AG gegen Departement Bau, Verkehr und Umwelt sowie Gemeinderat D. (WBE.2015.502, Beschwerdeverfahren I) und in Sachen Einwohnergemeinde D. gegen Departement Bau, Verkehr und Um- welt sowie Gemeinderat D. (WBE.2015.503, Beschwerdeverfahren II). Aus den Erwägungen
I. 1. (...) 2. 2.1. Gemäss § 42 VPRG ist zur Beschwerde befugt a) wer ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Aufhebung der Ände- rung des Entscheids hat, b) jede andere Person, Organisation Behörde, die durch Bundesrecht kantonales Recht zur Be- schwerde ermächtigt ist.
2.2. (...) 2.3. Fraglich ist hingegen, ob auch der Gemeinderat zur Beschwerde befugt ist (Beschwerdeverfahren II [WBE.2015.503]). Eine Konstellation im Sinne von § 42 lit. b VRPG (spezifische Ermächti- gung durch Bundesrecht kantonales Recht) liegt vorab nicht vor. Es ist deshalb zu prüfen, ob die Beschwerdebefugnis gestützt auf § 42 lit. a VRPG gegeben ist. Der Gemeinderat bringt vor, als Adres- sat sei er vom angefochtenen Entscheid direkt betroffen, und er werde in seiner noch vorhandenen Gemeindeautonomie beschnitten, weshalb er beschwerdeberechtigt sei. Nach der Praxis kann sich auch eine (Einwohner-)Gemeinde auf § 42 lit. a VPRG (bzw. früher § 38 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspfle- gegesetzes vom 9. Juli 1968 [aVRPG]) berufen. Gleich wie beim pri- vaten Beschwerdeführer ist vorausgesetzt, dass sie ein schutzwürdi- ges eigenes Interesse geltend machen kann. Die öffentlichen Interes- sen einer (Einwohner-)Gemeinde sind eigene, wenn sie dem spezifi- schen lokalen Lebensbereich entspringen; gemeint sind jene Belange, welche die Gemeindeeinwohner erheblich anders als die Kantonsein- wohner im Allgemeinen berühren (vgl. AGVE 1989, S. 305 f.; 1988, S. 373; 1986, S. 322; VGE III/18 vom 2. März 2009 [WBE.2006.430], S. 4; je mit Hinweisen). Nach ständiger Rechtspre- chung des Verwaltungsgerichts ist die Einwohnergemeinde (bzw. der Gemeinderat) in Bausachen nur dann zur Beschwerde befugt, wenn die kantonale Instanz entgegen der gemeinderätlichen Verfügung eine Baubewilligung erteilt hat - weil dies zu Veränderungen in der Gemeinde führt, welche der Gemeinderat für unzulässig hält - (vgl. AGVE 1989, S. 306; 1986, S. 322; VGE III/5 vom 23. Januar 2014 [WBE.2013.113], S. 3; VGE III/18 vom 2. März 2009 [WBE.2006.430], S. 5; MICHAEL MERKER, Rechtsmittel, Klage und Normenkontrollverfahren nach dem aargauischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Kommentar zu den §§ 38-72 [a]VRPG, Diss., Zürich 1998, § 38 N 206), nicht hingegen, wenn eine Baubewilligung des Gemeinderats aufgehoben wird, weil dann die Situation der Gemeinde, wenn der Baugesuchsteller auf ein Rechts- mittel verzichtet, nicht anders ist, als wenn überhaupt kein Bauge-
such eingereicht worden wäre (AGVE 1989, S. 306 mit diversen Hinweisen; MERKER, a.a.O., § 38 N 206). Es besteht im vorliegen- den Fall kein Grund, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Selbst wenn die Baubewilligung im Beschwerdeverfahren nämlich erteilt wird, hat die Gemeinde kein Mittel, die Ausführung der Baute durch- zusetzen; dies hängt völlig vom Willen des Baugesuchstellers ab (bei dem angenommen werden kann, er ergreife selbst ein Rechtsmittel, wenn er fest entschlossen ist zu bauen, so dass es in dieser Situation gar keiner eigenen Beschwerdelegitimation der Gemeinde bedarf). Es bleibt deshalb immer ungewiss, ob die Gemeinde die angestrebten Auswirkungen ihrer Beschwerde überhaupt erreichen kann. Ausser- dem hat sie, wenn sie die Bautätigkeit fördern will, dies durch gene- rell anwendbare und wirksame Massnahmen zu tun. Die besonders intensive Unterstützung eines Bauwilligen im Einzelfall - auch in prozessualer Hinsicht - erfüllt diese Voraussetzung nicht; sie ist nicht allgemein vorgesehen und kann es auch nicht sein, weil dies darauf hinausliefe, dass die Gemeinde in jedem Fall prozessiert, wenn sie vor der Beschwerdeinstanz nicht recht erhalten hat, also letztlich aus reiner Rechthaberei. Zudem bestünde bei derartigem Handeln im Einzelfall die erhebliche Gefahr objektiv nicht begründbarer Ungleichbehandlung (AGVE 1989, S. 307). Vorliegend hob die Vorinstanz die Baubewilligung des Gemein- derats auf, und zwar gestützt auf verschiedene kantonale Bauvor- schriften, deren Anwendung sie frei überprüfen durfte und musste (namentlich kantonale Definitionen/Begriffe bzw. Messweisen im Zusammenhang mit Geschossigkeit/Terrassierung und Gebäude- länge, aber auch Strassenabstandsvorschriften und Frage, ob die Voraussetzungen für Ausnahmebewilligungen erfüllt sind). Soweit es um die Anwendung und Auslegung kantonaler Bestimmungen geht, kann sich die Gemeinde auch nicht auf ihre Autonomie berufen. Ent- sprechend den vorstehenden Ausführung ist die Einwohnergemeinde (als deren Organ der Gemeinderat handelt) in einer solchen Konstellation nicht befugt, den Entscheid ans Verwaltungsgericht weiterzuziehen. Auf die Beschwerde im Beschwerdeverfahren II (WBE.2015.503) ist demgemäss nicht einzutreten.